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Ladenschluss schon am frühen Nachmittag bei Galeria in Düsseldorf: „Wegen einer Betriebsversammlung ist unser Warenhaus zurzeit geschlossen“, steht hinter der Glasfront auf einem großen Schild zu lesen. „Die machen heute auch nicht mehr auf“, sagt ein Mitarbeiter, der von der Versammlung kommt. Wie die Stimmung sei? „Scheiße natürlich, es flossen Tränen ohne Ende.“
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Seit Montagmittag ist endgültig klar, was sich seit Monaten ankündigt: Die letzte große Warenhauskette in Deutschland, Galeria, wird zahlreiche Filialen aufgeben. Von aktuell noch 129 Warenhäusern mit rund 17.400 Beschäftigten sollen 52 Filialen die Pforten schließen, bestätigte Galeria am Montag einen Bericht des Betriebsrats. 4300 Jobs sollen laut Unternehmensangaben entfallen, die Arbeitnehmer gehen von einer höheren Zahl aus. Der Aufsichtsrat des Konzerns sollte am Nachmittag zusammenkommen.
In einem internen Schreiben, das WELT vorliegt, gehen die Arbeitnehmervertreter mit dem Management hart ins Gericht. Für „weit über 5000“ drohende Jobverluste trage allein das Management die Verantwortung. Es gebe kein echtes Interesse an Verbesserungsvorschlägen und Ideen der Belegschaft. „Hinweise auf zum Teil eklatante, häufig hausgemachte Fehler werden großteils ignoriert, auf die lange Bank geschoben und kommen fast nie in eine Umsetzungsphase“, hieß es darin.
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Genannt werden zwei Schließungstermine, zum einen den 30. Juli 2023, zum anderen den 31. Januar 2024. Betroffen sind unter anderem Filialen in Berlin, Hamburg-Harburg, München, Gelsenkirchen und Bremen. Die Zahl der Filialschließungen liegt unter den Höchstszenarien, mit denen der Insolvenzverwalter in die Verhandlungen mit Vermietern und Belegschaft gegangen ist.
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Es verwundere weniger, welche Filialen schließen müssten als die Liste derjenigen Filialen, die erhalten blieben, sagte ein Insider WELT. So blieben etwa Trier und Freiburg sehr nahe beieinander liegende Filialen geöffnet. In Münster sollten ebenfalls zwei noch enger benachbarte Häuser erhalten bleiben. Solche Doppelstrukturen waren bei der Fusion der Ketten Karstadt und Kaufhof entstanden.
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Eigentlich galten diese Überschneidungen als Möglichkeit, Häuser zu schließen ohne Städte ganz verlassen zu müssen. In der Liste gibt es zudem kleinere Ungereimtheiten. So war das darauf aufgeführte Haus in Frankfurt ohnehin zur Schließung vorgesehen. Ein Haus in Köln, das der Vermieter abreißen will, taucht hingegen nicht in der Liste auf.
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Der Hintergrund: Galeria, entstanden aus dem Zusammenschluss von Karstadt mit Kaufhof, hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren suchen müssen. Als Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens nannte Konzernchef Miguel Müllenbach damals in einem Mitarbeiterbrief die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland. Der Manager ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass die erneute Sanierung mit erheblichen Einschnitten in das Filialnetz und einem deutlichen Stellenabbau verbunden sein würde.
Die Warenhauskette schlittert seit Jahren von einer Krise in die nächste. Zuletzt hatten die behördlichen Auflagen in der Corona-Krise das Geschäft belastet, der Konzern griff nach Staatshilfen, dann litten die Filialen an der Zurückhaltung der Verbraucher nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Anfang Februar eröffnete das Amtsgericht Essen das Insolvenzverfahren gegen die Galeria.
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Zudem machten hausgemachte Probleme dem Konzern zu schaffen, der der milliardenschweren Signa-Holding des österreichischen Investors René Benko gehört, der Karstadt und Kaufhof zusammengeführt hatte. Vor zwei Jahren hatte Galeria Karstadt Kaufhof bereits im damaligen Insolvenzverfahren gut 40 von damals 172 Filialen geschlossen, wobei bereits rund 5000 Mitarbeiter ihre Stellen verloren.
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Der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz, der auch schon das erste Schutzschirmverfahren als Sanierungsexperte begleitet hatte, zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass es dank des zweiten Schutzschirmverfahrens noch eine Perspektive für den Warenhauskonzern gebe. „Ich bin davon überzeugt, dass die Galeria-Warenhäuser eine Zukunft haben, wenn auch nicht in ihrer derzeitigen Form“, betonte der Sanierer in einem Interview. Der Handelsriese müsse dafür allerdings kleiner und dezentraler werden. Stimmen die Gläubiger zu, kann die alte Führung um den langjährigen Karstadt-Manager Müllenbach mit geringeren Kosten und weniger Filialen weitermachen. Laut Berichten müssen die Gläubiger jedoch mit geringeren Zahlungen rechnen als bei der vorherigen Planinsolvenz.
Proteste in den betroffenen Städten sind absehbar. In Dortmund, wo Galeria als Anker der Einkaufsstraße Westenhellweg und es zentralen Alten Markts gilt, äußerte sich bereits die Industrie- und Handelskammer: „Für Dortmund ist das ein schwerer Rückschlag als Handelsmetropole Westfalens. Die rund 21.000 Quadratmeter Verkaufsfläche machen knapp ein Neuntel der gesamten Verkaufsfläche der City aus.“ In den zehn Monaten bis zur Schließung müsse schnell ein neues Konzept her.
In der Ruhrgebietsstadt sind in den vergangenen Jahren immer wieder ehemalige Karstadt-Filialen geschlossen worden. Im Teppich-Haus gibt es erneut ein Teppich-Geschäft, das große Einrichtungs- und Technikhaus wurde komplett umgebaut. Jetzt trifft es auch die bislang „Haupthaus“ genannte Stammfiliale. Als Überraschung gilt auch die Schließung in Bremen. Im südlichen Hamburger Stadtteil Harburg entsteht durch die Schließung ebenfalls eine Lücke in einem gewachsenen Stadtteilzentrum.
In Düsseldorf schließt das letzte von zwei einst benachbarten Karstadt- beziehungsweise Kaufhof-Häusern auf der Einkaufsmeile Schadowstraße. „Es ist unglaublich, dass hier an Schluss sein soll“, sagt Liliane Bloch. „Ich komme hier seit 1970 her zum Einkaufen“, berichtet die ältere Dame. „Dann ist hier in der Ecke bald nichts mehr los. In Deutschland gehe leider vieles derzeit „den Bach runter“, sagt ihre Begleiterin. „Es ist schon sehr traurig.“
Immerhin: Das prächtige ehemalige Kaufhof-Haus an der bekannten Königsallee bleibt erhalten. In dieser eher luxuriös konzipierten „Kö“-Filiale ist denn auch von Krise nichts zu spüren. An der Bar neben der riesigen Kosmetik-Abteilung genießen Kunde ihren Drink, vorne ist viel los, überall wird mir Rabatten geworben. Weiter hinten in der weitläufigen Uhren- und Schmuckabteilung haben die meisten Verkäuferinnen und Verkäufer an diesem Nachmittag hingegen nichts zu tun.
Ob sie schon von der Schließung der Filiale in der Schadowstraße gehört habe und wie hier vor Ort die Stimmung sei? „Moment bitte“, sagt eine Verkäuferin und geht kurz an einer der gläsernen Theken telefonieren. „Wir können hier nichts sagen. Bitte wenden Sie sich an die Pressestelle in Essen.“
Die Standorte im Überblick
Zum 30. Juni 2023 sollen folgende 21 Standorte geschlossen werden:
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Celle, Coburg, Cottbus, Duisburg Düsseldorfer Straße, Erlangen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamburg-Harburg, Hamburg-Wandsbek, Leipzig Neumarkt, Leverkusen, München-Bahnhof, Neuss, Nürnberg Königstraße, Nürnberg-Langwasser, Offenbach, Paderborn, Regensburg Neupfarrplatz, Saarbrücken am Bahnhof, Siegen, Wiesbaden Kirchgasse.
Zum 31. Januar 2024 ist dann die Schließung dieser 31 Filialen geplant:
Bayreuth, Berlin-Charlottenburg, Berlin-Müllerstraße, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Darmstadt am weißen Turm, Dortmund, Düsseldorf Schadowstraße, Essen, Esslingen, Frankfurt Zeil, Hanau, Heidelberg Bismarckplatz, Hildesheim, Kempten, Krefeld, Leonberg, Limburg, Lübeck, Mönchengladbach, Oldenburg, Pforzheim, Reutlingen, Rosenheim, Rostock, Schweinfurt, Siegburg, Stuttgart-Eberhard-Straße, Viernheim-RNZ, Wuppertal.
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